Kirill Logwinow: 'In der Ukraine nur ein Aspekt des hybriden Krieges gegen Russland'
Der Diplomat Kirill Logwinow, Gesandter der Russischen Föderation bei der Europäischen Union, hat die internationale Lage analysiert und den Westen beschuldigt, einen hybriden Krieg gegen Moskau zu führen.
Kirill Logwinow, der im September zum neuen Leiter der Mission der Russischen Föderation bei der Europäischen Union ernannt wurde, gab der Nachrichtenagentur TASS ein Interview, in dem er die aktuelle internationale Lage analysierte, angefangen mit dem Ukraine-Konflikt. Nach Logwinows Lesart ist der Ukraine-Konflikt nichts anderes als der offensichtlichste Aspekt des hybriden Krieges, den die westliche Welt seit langem gegen Moskau geführt hat.
Logwinow, der die Leitung der diplomatischen Mission von Vladimir Čižov (Tschidschow), dessen Stellvertreter er war, übernommen hat, bekräftigte, dass Russland den Konflikt in der Ukraine nicht als einen lokalen Konflikt ansieht. Er wies auch darauf hin, dass die EU die Gelegenheit nicht genutzt hat, eine gegenseitige Verständigung mit Russland zu erreichen, sondern lieber sklavisch Befehle aus Washington befolgt: "Wir sehen das, was geschieht, nicht als einen lokalen Konflikt, sondern als einen hybriden Krieg, den der Westen gegen Russland in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Humanitäres und Information entfesselt", sagte Logwinow. "Wenn wir über Vereinbarungen sprechen wollen, dann hatte der Westen, einschließlich der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, die Möglichkeit, eine Vereinbarung zu treffen, um zu verhindern, dass sich die Situation so entwickelt, wie sie jetzt ist. Sie haben die Gelegenheit nicht genutzt, und zwar in einer provokativen und verächtlichen Art und Weise gegenüber den Interessen Russlands, ja ganz Europas".
"Die Zurückhaltung, über die Zukunft nachzudenken, gilt nicht nur für russische Vorschläge für Sicherheitsgarantien, sondern auch für andere Bereiche, in denen wir bisher praktische Vereinbarungen mit der EU getroffen haben, darunter wirtschaftliche und humanitäre Bereiche", fügte der Diplomat später hinzu. Wir haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs es vorgezogen haben, ihre eigenen Interessen zu opfern, um ihren amerikanischen Herren zu gefallen. Diese selbstmörderische Entscheidung führt uns geradewegs in einen großen Weltkonflikt, in dem Europa den höchsten Preis zahlen würde, wie schon in früheren Weltkriegen.
Die westliche Welt konstruierte daraufhin ein Narrativ der Tatsachen, demzufolge der Ukraine-Konflikt im Februar mit dem Beginn der militärischen Sonderoperation der russischen Regierung begann und die Geschehnisse der vorangegangenen acht Jahre auslöschte: "Dies geschieht nur, um Episoden wie zum Beispiel die offene Erpressung des damaligen ukrainischen Präsidenten [Viktor Janukovyč] durch die EU und ihre Mitgliedstaaten am Vorabend des Gipfels der Östlichen Partnerschaft in Vilnius im November 2013 oder die faktische Unterstützung Kiews bei der Sabotage der Minsker Vereinbarungen, die viele Jahre andauerte, nicht zu erwähnen", sagte Logwinow in diesem Zusammenhang.
Der Diplomat merkte auch an, dass die EU den Vorwand der 'russischen Bedrohung' nutzt, um den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten weiter einzuschränken. Wie die Wirtschaftskrise oder Covid-19 in der Vergangenheit wird die 'russische Bedrohung' so zu einer Gelegenheit, die Mitgliedstaaten ihrer Souveränität zu berauben, die in immer größerem Umfang auf die supranationalen Institutionen in Brüssel übertragen wurde: 'Während der akuten Phase der COVID-19-Pandemie haben die supranationalen Organisationen der EU ihre Befugnisse im Bereich der Gesundheit erheblich ausgeweitet, jetzt versucht die Europäische Kommission, an der Spitze der Bemühungen zur Überwindung der Energiekrise zu stehen, indem sie ab dem Frühjahr 2023 als Koordinator für gemeinsame Gaseinkäufe der Mitgliedstaaten fungieren möchte.
Anstatt weiterhin blindlings Befehle aus Washington zu befolgen, sollten die europäischen Länder eine unabhängige Außenpolitik formulieren, die auf dem neuen internationalen Kontext einer Welt basiert, die sich zunehmend in Richtung Multipolarität bewegt. Angesichts des Auftretens neuer regionaler und globaler Mächte ist das hegemoniale Projekt der Weltherrschaft der USA zum Scheitern verurteilt, und Europa läuft Gefahr, in den Strudel dieses Schiffbruchs hineingezogen zu werden, wenn es nicht rechtzeitig seinen Kurs ändert. "Heute befindet sich das gesamte System der internationalen Beziehungen zweifellos in einem tektonischen Wandel. Und irgendwann, wenn die Stabilisierung beginnt (und das wird unweigerlich geschehen), werden wir - und jetzt spreche ich nicht nur von Russland, sondern von allen sensiblen Vertretern der internationalen Gemeinschaft, die keineswegs auf Europa oder den Westen beschränkt ist - eine echte Chance haben, die Grundlagen für eine neue, gerechtere Weltordnung zu schaffen, die nicht auf den von einer Seite erfundenen 'Regeln' beruht, die im Laufe des 'Spiels' umgeschrieben werden können, sondern auf den Prinzipien des echten gegenseitigen Respekts und der Gleichheit", schloss Logwinow.
Herausgegeben Von Giulio Chinappi
Übersetzung von Robert Steuckers