Feminismus: Wie eine linke Ideologie zur Wegbereiterin des Neoliberalismus wurde

04.06.2024

Ich habe mich hier in einigen Artikeln mit der Genese des linksliberalen „Liberalismus 2.0“ beschäftigt. Dabei habe ich einige Faktoren aufgezählt, wie beispielsweise die von Leo Strauss beschriebene Dominanz des „Nackten Lebens“ als ethisches Prinzip und die Aufgabe der Tugendethik.

Ebenso habe ich den US-amerikanischen Progressivismus erwähnt, der quasi eine unternehmerfreundliche Pseudosozialdemokratie darstellte, wo aber nicht der Arbeiter, sondern der Unternehmer und der Großkonzern das sozialrevolutionäre Subjekt darstellen. (Zu dem Thema haben der marxistische Historiker Gabriel Kolko, der Erfinder des Anarchokapitalismus Murray Newton Rothbard und der deutsche Autor Stefan Blankertz einiges an Forschung betrieben, was Erstaunliches ans Tageslicht brachte.[i] Dieses US-Amerikanische Großkonzernsystem, das Linke eigentlich verabscheuen, wurde durch die „Progressiven“ erst erzeugt. Durch den Progressivismus kam in die US-Amerikanische Politik auch die Idee der wirtschaftlichen und technischen Effizienz als politisches Ziel, was im Zweifel sogar über dem freien Unternehmertum stehen würde. Besonderes der Fokus auf die technische Effizienz als Ziel ist interessant, wegen Heideggers Konzept des Gestell als Zentrum der technisierten Moderne.)

Man kann auch die Nürnberger Kriegsverbrechertribunale als eine Wurzel des Liberalismus 2.0 ausmachen. Besonders im Hinblick auf die Wichtigkeit des „bösen Nazis“ als linksliberalem Feindbild, und der Schuldkultpolitik, wo der Holocaust und die Wiedergutmachung dessen als Raison d'etre der Politik angeführt wird. Und die Tatsache, dass man in anderen Ländern quasi mit Themen wie Sklaverei oder dem Kolonialismus regelrecht andere Dinge sucht, die statt dem deutschen Phänomen der Schoah dort besser als lokale Erbsünden gelten können. Es fällt auch auf, dass es dem Westen wichtig ist, ausländische Personen wie Pinochet, oder Joseph Kony vor westliche Gerichte zu stellen, statt diese ihrem eigenen Volk zu überlassen. Deshalb kann der Liberalismus 2.0 auch in gewisser Form als ein Weg angesehen werden, die Nürnberger Tribunale als internationale politische Bewegung und als „permanente Revolution“ weiter zu führen. (Es muss auch gesagt werden, dass das Projekt einer anti-traditionellen Kulturrevolution in Russland, China und Nordkorea etc. krachend scheiterte und diese Länder heute die Wächter der Tradition in der Welt sind. Die BRD, die ihre gesamte intellektuelle Historie auf Nazibezüge abklopfen und Autoren wie Heidegger, Nietzsche, Kant etc. canceln wollte, kann aber als erste erfolgreiche Kulturrevolution der Geschichte gesehen werden. Dies spielt hier mit rein.)

Ein anderer bedeutender Faktor ist aber der Feminismus und sein Weg zur Stütze des Neoliberalismus, indem er fast die Funktion übernahm, die Weber im 19. Jahrhundert dem protestantischen Geist zurechnete.

Viele Konservative machen sich zurecht über die internen Widersprüche des Feminismus lustig. Diese sind sehr auffällig, besonders dank der Postmoderne und Intersektionalität (wo der Status ob man Ausländer, Behindert, Trans usw. entscheiden kann, ob ein und dieselbe Handlung kriminell, normal  oder gar eine Heldentat ist.). Aber schon bevor der „Gesunde Menschenverstand“ zum patriarchalen Unterdrückungsinstrument erklärt wurde, sind gewisse Unlogiken stark aufgefallen.

Besonders eine: Feministinnen beschrieben die heterosexuelle Familie als Ausbeutung der Frau und Unterdrückung, beschrieben aber Arbeit und Karriere gleichzeitig als emanzipierend, befreiend und als Mittel zur Selbstverwirklichung. Trotz bekannter Konzernpraktiken wie „Hire and Fire“. (Und trotz Fakten wie jener, dass Firmen wie Foxconn Anti-Selbstmord-Netze an Firmengebäuden errichten mussten.)

Wenn man diese Widersprüche nun unter dem Blickpunkt betrachtet, dass Feminismus eigentlich ursprünglich Teil der Zweiten Politischen Theorie war (Die Initialzündung des Feminismus ging in großen Teilen auf Friedrich Engels zurück und der Begriff Feminismus war eine Erfindung des Frühsozialisten Charles Fourier), fällt auch auf, dass diese Widersprüche im Feminismus eigentlich ihre Wurzel in einem Bruch der Feministinnen mit dem Marxismus darstellten. Nach orthodox marxistischer Theorie ist Arbeit einmal Ausbeutung und Entfremdung. Deshalb ist es aus marxistischer Sicht vollkommen unlogisch, wenn Feministinnen meinen, durch „Lohnarbeit statt Familie“ befreit werden zu können. Eine Auflösung der Familie in eine Arbeitergemeinschaft (wie es z.B. Leon Trotsky wollte) kann nur nach der Revolution geschehen und nicht innerhalb des Kapitalismus. Gleichzeitig sind nach marxistischer Theorie Frauenunterdrückung und Kapitalismus miteinander verbunden, weshalb das Eine nicht ohne das Andere gelöst werden kann. Und erst recht kann kapitalistische Ausbeutung kein Heilmittel gegen sexistische Ausbeutung sein.

Dann fällt auf, dass die Zweite Politische Theorie eigentlich im Kern eine Kritik an Hierarchien im Namen der Gleichheit war. Einige Varianten von ihr wollten Hierarchien nicht abschaffen, sondern ungerechte kapitalistische Hierarchien durch neue, in ihren Augen gerechtere Formen der Organisation ersetzen. Der Punkt ist aber, dass die Idee des Karrierefeminismus gegen beide Haltungen komplett verstößt. Eine Karrierefeministin will, wie der Name schon sagt, in ihrer Firma die Karriereleiter erklimmen. Dies bejaht fundamental bestehende kapitalistische Hierarchien und läuft de Facto auf „Ausbeutung ist schlecht, wenn der Ausbeuter ein Mann ist, aber wenn Frauen andere Männer und Frauen ausbeuten ist nichts Verwerfliches daran zu erkennen“ hinaus. (Siehe auch das berühmte feministische Buch „The Will to Lead“, also „Der (weibliche) Wille zur Führung“.)[ii]

Dieser Karrierefeminismus beinhaltet auch eine eigentlich wertneutrale „Inklusionsmoral“, die einmal den Feminismus von einer linken Idee in eine Idee umwandelt, die mit dem Liberalismus und streng genommen sogar mit dem Faschismus kompatibel wird, weil es Inklusion von Frauen (und später Gruppen wie Homo- und Transsexuellen, Behinderten etc.) zum Wert an Sich erhebt, ohne die offensichtliche Frage „Inklusion in Was?“ zu stellen. Als ob Folterlager wie Guantanamo und Abu Ghraib durch eine höhere Zahl von Frauen und Transpersonen in ihrem Personal automatisch besser würden.

Zu dem Thema der Bejahung von Hierarchien passt auch, dass man im Gegensatz zum klassisch liberalen Ansatz nicht förderte, dass Karrierefrauen eigene Unternehmen gründen und sich zur Weltspitze hocharbeiten. Stattdessen förderte man, dass etablierte Megakonzerne durch Frauenquoten Frauen in ihre Vorstände holten. Ergo hat man sowohl die Feministinnen von einer sozialistischen Revolution abgehalten, als auch von einer kapitalistischen Revolution. Statt „patriarchale“ Großkonzerne wie VW, Mercedes oder Monsanto vom Thron zu stoßen, hat man die Feministinnen davon überzeugt, sich diesen Konzernen anzuschließen. Somit wurde der Feminismus auch ökonomisch zu einer Stütze der „Großen“ am Markt, statt den Markt durcheinander zu werfen. 

Dann muss gesagt werden, dass der Karrierefeminismus seine große Blüte in der neoliberalen Ära der 2000er hatte und sehr auffällig mit der Propaganda zusammengefallen ist, dass Firmenchefs und Vorstandsmitglieder besonders wichtige „Leistungsträger“ seien, die wertvoller wären  als in „spätrömischer Dekadenz“ lebende arme Unterschichten und „Sozialschmarotzer“. (Und selbst heute flippen sehr viele Leute in Deutschland aus, wenn junge Berufsanfängerinnen darüber klagen, wie hart und unmenschlich die Vollzeitlohnarbeit ist. Dabei kommt es zu regelrechten Lynchmobs.)[iii]

Dann wiederum fällt der Karrierefeminismus mit seiner Annahme, dass Partizipation in den Kapitalismus der Frau ökonomische Unabhängigkeit gegenüber anderen Menschen verleiht (und die damit eingehende Leugnung der Tatsache, dass Kapitalismus eben ein massives Netz wechselseitiger Abhängigkeiten darstellt), und dieses Ziel nicht nur erstrebenswert sondern essenziell wichtig für das Gedeihen des Einzelmenschen ist, haargenau in die Konzeption der Ersten Politischen Theorie vom unabhängigen Individuum (dessen Unabhängigkeit es auch noch maximal zu fördern gelte) und vom Homo oeconomicus. Zudem kommt dieser Feminismus wiederum dem Progressiven Ideal des Unternehmers als Sozialrevolutionärer Klasse nahe: Denn in diesem System hilft der Großkonzern dem Karrierefeminismus, u.A. indem er Frauen Jobs am oberen Ende der Karriereleiter zur Verfügung stellt. (Was einige im Nachhinein oft sehr lächerliche Konsequenzen hat, wie die absurde Tatsache, dass sich z.B. Harvey Weinstein als Kämpfer für Frauenrechte feiern konnte.)

Der Karrierefeminismus kam mit der Wirtschaftskrise 2008 und der Präsidentschaft Obamas etwas außer Mode und wurde eher durch Butlers Gender Ansatz ersetzt. Dieser folgt aber auch wie Dugin mehrfach zeigte einem individuellen Paradigma. Im Genderansatz gilt die Geschlechtsdefinition als Einschränkung für das Individuum und es soll deshalb politisch durch Sprachregelungen, Leihmutterschaften, Operationen, Transhumanismus etc. das Individuum von der Biologie befreit werden. Und man hat dadurch in Teilen sowohl den Liberalismus als auch den Feminismus vom Thema Wirtschaft getrennt. (Diese Trennung ist allerdings nur zum Teil erfolgt. Denn bei anderen Fragen wie Behinderteninklusion etc. hielt der Feminismus am Konzept der Emanzipation des Individuums durch Partizipation am Kapitalismus als Arbeiter fest.)

Eine große Opfergruppe der besonders im „Neoliberalismus“ verherrlichten Arbeit um jeden Preis sind wiederum junge Männer. Evola schrieb, dass der Mann grundlegend zwei Archetypen kennt. Den Eremiten und den Krieger. Der Eremit ist hier nicht so relevant, weil der für sich allein lebt und sich aus der Gesellschaft zurückzieht. Der Krieger umso mehr. (Bestes Beispiel hierfür ist Japan, wo die Kriegerethik deformiert zur Arbeitsethik wurde.) Nur, der Krieger lebt dafür, wie es Evola sagte, alles, was an ihm bloß menschlich ist, für das „höchste vom höchsten“ zu Opfern. Für die meisten männlichen Arbeiter waren auch Frau und Familie eine Verkörperung des Allerhöchsten. Nur macht der feministische Neoliberalismus die Gründung von Familie schwerer. Dämonisiert Männer für ihren Wunsch nach Frau und Kindern sogar als toxisch, gefährlich, potenzielle Vergewaltiger etc. Stattdessen soll man in einem Brachialindividualismus sich selbst und die eigene Unabhängigkeit opfern und diese Unabhängigkeit soll im „Woken Kapitalismus“ vor Allem durch die Anhäufung von Geld erlangt werden. Ergo soll sich der junge Mann heute selbst für sein Bankkonto opfern. Damit hat man die Kriegerethik pervertiert und erzählt jungen Leuten, sich nicht für das Allerhöchste, sondern für das Allerniederste zu opfern. Dass es so zur Sinnkrise von jungen Männern kommt (siehe Jordan Peterson und seine Anhänger) ist da mehr als konsequent.[iv]

In gewisser Weise sind der Feminismus und der Gedanke der Emanzipation auch zur Grundlage der neuen Definition des liberalen Individuums geworden. Dies mündete in dem was Wesley Yang mit seinem Begriff der „Nachfolgerideologie“ meinte. Er beschrieb das Phänomen, dass es einen Kampf zwischen klassisch liberalem Individuumsbegriff und den Linksliberalen gab und die Linksliberalen den Liberalismus fundamental umbauen wollten. Die Linksliberalen wollten die Idee des Individuums ändern, weg von der klassischen Definition als vernunftbegabtem Menschen und Träger von gleichen Rechten und Pflichten, hin zu einer intersektionalen Definition. Der Begriff der Intersektionalität stammt aus der Critical Race Theory und vereint Feminismus mit Antirassismus und anderen linksliberalen Themen.

In einem früheren Text habe ich bereits auf die Theorie der Intersektionalität Bezug genommen. Dies ist grob gesagt eine Abkehr vom linken Narrativ des Klassenkampfes (hier ist auch der Vergleich mit der Idee der Postmoderne als Ablehnung aller „großen Narrative“ und Ideologien wichtig) und hin zu einer Art Versöhnung der Idee der Klassen mit der des Individuums. Die Intersektionalität besagt grob, dass ein Mensch nicht nur Arbeiter, Mann, Frau etc. ist, sondern sich verschiedene Kategorien von Herrschaftsverhältnissen in einem Menschen vereinen. Jemand kann ein diskriminierter Schwuler sein, der trotzdem 60 Milliarden auf dem Konto hat und damit kein Proletarier ist. Man kann aber auch homosexuell, obdachlos, behindert, Frau etc. gleichzeitig sein. Und das Leben beider Personen würde sich grundlegend unterscheiden in der Theorie. Das nur mal als Beispiel um die Idee der Intersektionalität zu verdeutlichen. Grob gesagt ist dieses System kein Narrativ einer unterdrückten Klasse gegen eine Unterdrückerklasse, und kein vollkommen unabhängiges Individuum, aber gleichzeitig vereint sie gewissermaßen beides. (Oder, da man laut den Intersektionalen auch z.B. unterdrückte Identitäten wie „Behinderter“ und unterdrückende Identitäten wie Cis Mann in sich vereinen kann, kann die Intersektionalität auch als Form der Auflösung des Menschen ins schizophrene Dividuum in Sinne von Deleuze und Guattari gedeutet werden.)

 


[ii]Hier bei dem Thema Hierarchien etc. fällt ein großer Unterschied zwischen männlichen Unternehmerpersönlichkeiten und Karrierefeministinnen auf. Beispielsweise hat der Erfinder von Super Mario, Shigeru Miyamoto, trotz seines Erfolges spezielle Privilegien bei Nintendo abgelehnt und bestand darauf wie ein normaler Arbeiter behandelt zu werden. Der Gameboyerfinder Gunpei Yokoi hat so wenig mit seinen Fähigkeiten angegeben, dass er zuerst nur eine Stellung als Hausmeister bekam und es später nur zufällig auffiel, dass er die heiß begehrten Fähigkeiten in der Produktion von Elektronik besaß. Und als der Virtual Boy floppte hat er die ganze Schuld auf sich genommen (obwohl die Chefetage ebenso einen Anteil am Flop hatte) und hat seine Entlassung akzeptiert. Steve Jobs hat sich auch sogar bei seiner Arbeitszeit in Atari nicht beschwert, als er in ein kleines Büro in einem abgelegenen Bürotrakt abgeschoben wurde, weil andere Mitarbeiter sich an dessen mangelnder Körperhygiene störten.

Während dessen haben Karrierefeministinnen bei Disney legendäre Talente wie John Lasseter hinausgeekelt und die Karrierefeministin Kathleen Kennedy lässt sich ernsthaft als fortschrittliche Visionärin feiern obwohl sie es schaffte, sowohl Star Wars als auch Indiana Jones zu Flops hinunter zu wirtschaften. Und als einer ihrer männlichen Untergebenen, John Favreau es schaffte, Produkte zu produzieren, die besser ankamen als ihre, die aber auch Star wars als Marke gerettet hätten, hat Kathleen Kennedy ihn von seinem Posten entfernt. Diese Art von Persönlichkeit bei karrierefeministinnen ist sehr auffällig . (Und die ist natürlich eher schädlich für die Firmen am Ende.)

[iv]Hier muss man aber die klassisch Liberalen etwas in Schutz nehmen. Joseph Schumpeter beschrieb die Sorge um die Familie als eine zentrale Triebfeder für wirtschaftliches Handeln und beschrieb, dass die Zerstörung der Familie und der damit verbundenen Opferbereitschaft langfristig dem Kapitalismus die Lebensgrundlage entziehen würde.